(4/7) Dein Potential 2023 – „Genie-Experten“

Posted 5. April 2023
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Von Stefan Josef Höck

Was macht für dich Experten aus? Bekommt ein Genie früher oder später automatisch Expertenstatus oder reicht dazu einfach nur Erfahrung aus?

In der neuen Ausgabe des Blogs von „Lebenswert TV“ schreibe ich heute darüber, was zweifelnde Personen mit sinkenden Schiffen zu tun haben und weshalb sie sogar für ein besseres „Wetter“ sorgen können. Mein Name ist Stefan Josef, und ich freue mich, dass du mit dabei bist.

Wenn wir heute von „Experten“ sprechen, sehe ich ein ganz großes Fragezeichen dahinter, nämlich was den s.g. Experten bzw. die Expertin tatsächlich dazu macht.

  • Ist es ein genialer Kopf, der eine bahnbrechende Entdeckung gemacht hat?
  • Oder einfach eine forschende bzw. wissenschaftlich tätige Person, die in einem Gebiet Expertenstatus hat, weil eine Theorie weiterentwickelt und bestätigt wurde?
  • Bin ich Experte, weil ich 100 Bücher über Leadership gelesen und dazu Vorträge gehalten habe? Und dazu muss ich nicht unbedingt ein Genie sein, oder?

Das Fatale am Glauben daran, unkaputtbar zu sein, zeigt sich anhand eines Beispiels aus „Genie oder Spinner – Sind wir offen für Neues?“ von Jürgen Schaefer. Nouriel Roubini hat bereits im Jahr 2006 die Finanzkrise 2008 vorhergesehen. Wir können uns Roubini vorstellen wie einen Kapitän, der bei Schönwetter die Gefahr eines Eisbergs dennoch in Betracht zieht. Die Titanic hat sich schließlich als sinkbar erwiesen.

Heute wissen wir, welche weitreichenden Konsequenzen die Finanzkrise mit sich gebracht hat, die stärkste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise 1929, bspw. eine äußerst hohe Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und Eigenheimverlust. Die kommenden Ereignisse wurden also bereits im Jahr 2006, sogar für 3 Jahre vorausgesehen.

Wenn wir über „Querdenker“ wie Nouriel Roubini sprechen, kommt die Frage auf, ob dieser Personenkreis immer nur den warnenden Finger zeigen muss oder gleichzeitig eine bessere Richtung vorgeben sollte. Roubini ist jedenfalls als „Außenseiter, pathologischer Pessimist, ewiger Prophet des Abschwungs“ bekannt, als „Permabär“.

Vermutlich hätte sich einiges aus dem Zusammenbruch der Schwellenländer in den 1990er-Jahren lernen lassen, aus Indizien wie das Leistungsbilanzdefizit sowie mehr Konsum als Produktion.

Roubini hatte 3 wesentliche Voraussetzungen im Vergleich zum Mainstream:

  1. Bereitschaft dazu, Außenseiter zu sein
  2. Keine Orientierung an ökonomischen Modellen
  3. Erfahrung durch die Arbeit mit den Schwellenländern

Äußerst bedenklich zeigt sich in einer Studie der 1990er-Jahre, dass 97 % der Ökonomen aus 60 Ländern nicht vorhergesehen haben, dass Schlechtwetter kommt, und das als starker Gewittersturm. Paul Krugman, Professor der Volkwirtschaftslehre, ortet in einer zentralen These, dass „Schönheit und Wahrheit“ verwechselt wurden.

  • Wer will sich schon einen leeren Honigtopf vorstellen?

Die s.g. „Süßwasserfraktion“ wurde in der Vergangenheit immer stärker, und nach Krugman hat „die romantische Vision einer keimfreien Wirtschaft“ zu Blindheit geführt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich Parallelen zu 1929 aufdecken. Einstein hat mit der „Speziellen Relativitätstheorie“ die Physik auf den Kopf gestellt, hat einfach um- bzw. weitergedacht. Das hätte für 2008 ebenso geholfen …

  • „Wer nicht zweifelt, irrt!“

Dieser Spruch aus „Genie oder Spinner – Sind wir offen für Neues?“  passt sehr gut auf die besprochenen Ereignisse. Krisen fördern dann das Auftauchen neuer Theorien, wobei Ökonomen nicht davor scheuen, Krisen umzudeuten, um ihren vorangegangen Theorien Wahrheitsgehalt zu geben.

Radikale Änderungen lösen bei uns Trauer aus, wenn unsere Umwelt oder unser Weltbild betroffen ist. Das hat mit dem Widerspruch zum eigenen Selbstkonzept zu tun, was kognitive Dissonanz bedeutet. Niemand will die eigene Sicht als „kompetente, intelligente und moralisch integre Persönlichkeit“ aufgeben.

Wie ich finde, sogar entgegen jeglicher Vernunft, werden weite Wege gegangen, um kognitive Dissonanz zu vermeiden, diese soll gar nicht erst entstehen können. Ein leerer Honigtopf ist eben keine wohltuende Vorstellung. Darüber hinaus werden sogar offensichtliche Schwachstellen negiert, begründet darin, sich einer Gruppe mit dem Herzen verschrieben zu haben.

  • Einer Linie treu zu bleiben bedeutet, dass ein Irrtum nicht ausgeschlossen ist.

Philip Tetlock hat zum Abschluss einer Studie gezeigt, dass 96 % der Expertenprognosen schlechter gewesen wären als eine zufällige Prognose.

Nachdem die am meisten anerkannten Fachleute am schlechtesten abgeschnitten hatten, beantwortet das auch eine der heutigen Fragen. Denn daraus folgt, dass Expert:innen nicht zwangsläufig ein Genie sein müssen. Vielleicht hat aber auch Anerkennung für Erblindung gesorgt und eine Ausblendung des Genies bewirkt.

Karl Popper hat angeregt, nach schwarzen Schwänen zu suchen, was aber sogar nicht zu unserer Natur passt, denn durch einen solchen schwarzen Schwan wird eine Wahrheit „falsifiziert“.

Wie wir in „Genie oder Spinner – Sind wir offen für Neues?“ weiter erfahren, schreibt Tetlock die Blindheit von spezialisierten Personen dem Umstand zu, dass die Kapazität für andere Spezialgebiete eingeschränkt wird, und das aus meiner Sicht unabsichtlich.

Bei Taxifahrern in London hat sich gezeigt, dass der Hippocampus mit zunehmender Erfahrung immer größer wurde, wobei sie sich in weiterer Folge in einer fremden Stadt besser zurechtgefunden haben als in einem verändert dargestellten London. Das war bedingt durch die Erfahrung.

Nach Daniel Levitin, einem Neurologen, trifft in jeder Disziplin die „10.000-Stunden-Regel“ zu, um Expertenstatus zu bekommen, über einen Zeitraum von 10 Jahren als Orientierung. Der Kognitionspsychologe George Miller hat das Gesetz der „magischen Zahl Sieben, plus/minus zwei“ definiert. Dieses besagt, dass wir nur sieben Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten können, oder zwei mehr oder zwei weniger. Anders Ericsson hat aufgezeigt, dass die Expertise ein Hindernis für neue neuronale Verknüpfungen in anderen Bereichen ist.

Das vom Hirnforscher Stanislas Dehaene entwickelte „neuronale Recycling“ besagt in der Theorie, dass wir neu Erlerntes in einer für ähnliche Aufgaben konditionierten Gehirnregion abspeichern, das Neue erlernen aber nur dann funktioniert, wenn die evolutionäre Vorbereitung dafür bereits stattgefunden hat. Dabei sprechen wir bspw. über das Lesen und das Erkennen von Formen.

Was hier womöglich ein wenig widersprüchlich klingt, bedeutet für mich schließlich, dass für uns die Erkenntnis notwendig ist, Expertenwissen hin oder her, offen für neue Inputs zu sein und über den Tellerrand hinauszudenken. Wie Dehaene sehe ich eine unbegrenzte Kapazität unseres Gehirns.

Gleichzeitig können wir zwar vielleicht nicht alles gleichzeitig aufnehmen, doch ich denke schon, dass ebenso unsere Aufnahmefähigkeit mit Training kaum an Grenzen stoßen wird. Einen entscheidenden Faktor sehe ich in unseren einzigartigen Talenten und Fähigkeiten, die manche anderen Dinge gegebenenfalls schwerer verstehbar machen.

Wünsche dir eine weltöffnende Zeit und lade dich ein freitags in meinen Podcast auf iTunes, Spotify, Stitcher, TuneIn oder Amazon Music hineinzuhören.

Alles Liebe

Stefan Josef

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