(3/7) Dein Potential 2023 – „Kollektiver Gruppen-IQ“

Posted 29. März 2023
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Von Stefan Josef Höck

Wer hat aus deiner Sicht die Wissenschaft am meisten weitergebracht? Zweifelnde Menschen oder diejenigen, die sich auf eine bestimmte Forschungsrichtung eingeschworen haben?

In der neuen Ausgabe des Blogs von „Lebenswert TV“ schreibe ich heute darüber, ob Gruppen womöglich zu Opfern der eigenen Dynamik werden und welchen Stellenwert zweifelnde Personen für Gruppen einnehmen.

Unabhängig davon, wo wir Gruppen vorfinden, in einem Unternehmen, einem Verein, einer politischen Organisation usw., jede Gruppierung hat bestimmte Entscheidungen zu treffen, wie z.B. die Wahl eines neuen Vorstands.

Dabei liegen die Beweggründe für eine Entscheidung stets im Blickfeld. Gerade bei Entscheidungen auf höchster politischer Ebene wird die Frage aufgeworfen, wem im Vorfeld zugehört werden soll.

  • Wie oft ist wohl schon der s.g. „rote Knopf“ gedrückt worden, weil Bedenken nicht ernst genommen wurden?
  • Waren Zweifel so unberechtigt oder hätten diese dem Ansehen oder der Autorität geschadet, wenn sie eben ernst genommen worden wären?

Der Yale Psychologe Irving Janis hat bspw. anhand des „Schweinebucht-Desasters“ erklärt, dass von Gruppen, die sich einig sind, die Gefahr ausgeht, dass sie kollektive Fehlentscheidungen treffen. Wie wir im ersten Teil dieser Beitragsserie u.a. beleuchtet haben, will der Mensch dazugehören.

Ein harmonisches Team mag fein sein, wenn aber Einzelne womöglich Intelligenz, Vernunft und Einsicht völlig über Bord werden, dann kann das im wahrsten Sinne des Wortes tödlich enden.

Auch wenn der Konkurs eines Unternehmens im Normalfall keine Menschenleben fordern sollte, stehen dennoch zumindest die Existenzen von vielen Menschen auf dem Spiel. Alles in allem können wir sagen, dass sich jedes einzelne Gruppenmitglied immer bewusst sein muss, dass „der Schuss nach hinten losgehen“ kann.

Gerade ein Konkurs kann letzten Endes ebenso die eigene Existenz bedrohen. Bei der Wahl eines Parteivorsitzenden kann eine neue politische Ausrichtung verheerende Konsequenzen haben, wie die Geschichte zeigt.

Wie wir in „Genie oder Spinner – Sind wir offen für Neues?“ von Jürgen Schaefer erfahren, hat Janis 8 Merkmale für Gruppendenken definiert, und zwar:

  1. Gemeinsames Gefühl von Stärke und Unbesiegbarkeit
  2. Kollektive Rechtfertigung der Handlung
  3. Glaube an die inhärente moralische Überlegenheit
  4. Stereotype Abwertung von Ansichten und Informationen von außerhalb der Gruppe und potenzieller Widersprüchlichkeit
  5. Selbstzensur, worauf folgt …
  6. Illusion der Einstimmigkeit
  7. Druck auf Querdenker und
  8. Konsenswächter

Vor zwei Wochen habe ich gefragt, ob vielleicht ein zweiter Mensch schon ausreicht, um die Masse zu bewegen, zum Umdenken, zum Hinterfragen zu bringen.

Jürgen Schaefer weist in seinem Buch darauf hin, dass die s.g. „Querdenker“ laut Studien so gut wie keine Chance haben. Alleinig die veränderte Diskussionskultur nach dem Einfallen in die „Schweinebucht“ soll einen Atomkrieg verhindert haben. Kennedy nannte das die „Dissenskultur“.

Was Gruppenverhalten neben der „Watergate-Affäre“ und dem Irakkrieg, welcher aufgrund eines Realitätsverlustes nach 6 Wochen bereits als beendet angesehen wurde, auslösen kann, das zeigt die Explosion der „Challenger“ im Jahr 1986, weil Bedenken zu Dichtungen u.a. nicht ernst genommen wurden.

  • Gruppendenken und -dynamik haben also eine potenzielle, todbringende Wirkung.

Hierbei begegnet uns schließlich wieder die Angst vor sozialer Isolation. Janis hat mit seinen Erforschungen sehr wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs anvisiert. Der Sozialpsychologe Robert Baron führt die Finanzkrise 2008 ebenso auf Gruppendenken zurück.

Aus meiner Sicht bedeutet Konsens = Komfortzone = Wohlfühlen, und Veränderung mag der Mensch weniger gern als Gewohntes beizubehalten, wie wir schon wiederholt beleuchtet haben. Das erklärt für mich auch den aggressiveren Ton gegenüber Gruppenmitgliedern im Vergleich zu fremden Personen, wie Jürgen Schaefer schreibt.

  • Denn wenn sich schon die Gruppe nicht einig ist, wer dann?

Wenn über Bedenken gar nicht mehr gesprochen wird, handelt es sich um „pluralistische Ignoranz“ der einzelnen Personen – einfach gesagt – glaubt eine einzelne Person die einzige zu sein, die anderer Meinung ist.

Wie ich in meiner Vergangenheit gesehen habe, kann ein bestimmtes Ausmaß an „Querdenken“ Menschen sogar dazu veranlassen, Freundschaften zu beenden. Denn Bedenken und Gedanken können das Glaubensgerüst einstürzen lassen. Somit ist für mich auch nachvollziehbar, welche psychischen Ausmaße Ausgrenzung haben kann.

In „Genie oder Spinner – Sind wir offen für Neues?“ lesen wir über die Auswirkungen von Social Media, ein Segen, um Gleichgesinnte zu finden, ein Fluch aufgrund des Flächenbrandes, den schon zahlreiche Menschen erlebt haben.

Wir erfahren in diesem Zusammenhang über 4 grundlegende menschliche Bedürfnisse, nämlich …

  • Zugehörigkeit, Selbstwert, Kontrolle über das Leben und Lebenssinn.

Die Vernetzung der heutigen Zeit deckt „Querdenker“ sicher leichter auf und erleichtert Angriffspunkte für Ausgrenzung, die ebenso als sozialer Todesstoß bezeichnet werden kann.

Jürgen Schaefer spricht die größere Anonymität in Internetforen, den geringeren Raum für Nischen und die weniger lange Zeit für das Reifen sowie die Kraftgewinnung von Ideen an. Und irgendwann steht die Entscheidung an, weitere Scherbenhaufen zu ertragen oder sich der Masse zu beugen.

Elliot Aronson spricht einen Aspekt mit einem wohl vorhandenen Wahrheitskern an, nämlich „Querdenker“ würden alle lieben, aber erst 50 Jahre nach ihrem Tod. Obwohl „Rocky“ nur eine fiktive Figur ist, können wir uns fragen, weshalb für ihn bereits zu Lebzeiten ein Denkmal gebaut wurde und  nicht erst nach seinem Tod.

  • Wenn ich heute sagen würde, dass sich in 10 bis 20 Jahren alle Menschen nur mehr pflanzlich ernähren werden, und das öffentlich, weil für Viehwirtschaft, Zucht und Anbau auf den Feldern die Ressourcen nicht mehr vorhanden sein werden, welchen Aufruhr würde es geben?

Unsere persönlichen Probleme und die Probleme der Welt werden wir erst dann richtig erkennen, wenn wir für uns selbst zu 100 % Verantwortung übernehmen. Wir treiben uns mit dem eigenen Verhalten ins Verderben. Denn sich einer Gruppe voll und ganz zu verschreiben, das bedeutet, die eigene Überzeugung aufzugeben, wie sich das für mich darstellt, somit wird in gewisser Weise die eigene Identität ausgelöscht.

Wenn ich hier Aronson interpretiere, finden wir für alles eine Rechtfertigung, sogar brutale Aufnahmerituale werden schließlich als Gewinn gesehen, weil die Aufnahme in die Gruppe erfolgt ist. Gruppen stehen ganz klar für Selbstachtung und Selbstbild.

„Wahrheit“ ist natürlich ein sehr relativer Begriff, und bei vielen Unternehmen haben wir den fehlenden Einblick, um zu erkennen, ob Produkte bspw. von Kindern hergestellt werden oder Menschen das Wasser „abgenommen“ wird.

Und ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, weil meinem Empfinden nach Gruppen hierbei falsche Entscheidungen treffen:

  • Weshalb alles zupflastern und zubetonieren, anstatt natürliche Oasen zu schaffen?

Wünsche dir eine wunderbare Zeit, um dich selbst neu zu entdecken und lade dich ein freitags in meinen Podcast auf iTunes, Spotify, Stitcher, TuneIn oder Amazon Music hineinzuhören.

Alles Liebe

Stefan Josef

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